Als ich 1996 meinen ersten Kontakt mit dem Internet hatte, war E-Commerce in den Kinderschuhen und Geschwindigkeit noch kein großes Thema. Allein die Einwahl hat über eine Minute gedauert. Oft musste man das mehrmals machen, weil die Verbindung abgebrochen ist oder irgendjemand im Haus das andere Telefon abgenommen hat und so das Modem aus dem Tritt brachte. Bilder waren im BTX/Datex-J bis dato grafische Höchstleistungen von Pixel-Designern. Mit den ersten Browsern konnte man "echte" Bilder übermitteln. Zeilenweiser Aufbau des Bildes lies das Laden aber zu einer Mischung aus Geduld- und Ratespiel avancieren.

Heute, 22 Jahre später, sieht die Situation signifikant anders aus. Mit aktuellen DSL Anschlüssen sind wir weit mehr als 100-Mal schneller auf der Datenautobahn unterwegs. Wofür man einst fast zwei Minuten warten musste ist nun in unter einer Sekunde auf dem Bildschirm. Dank W-Lan, Flatrate und LTE sind wir "always on" - Keine Einwahl mehr nötig. Das Nutzerverhalten hat sich nicht zuletzt auch deswegen deutlich geändert. In der Mittagspause online etwas bestellen, in der Warteschlage an der Kasse die Zeit nutzen und in Facebook schauen, was die Freunde machen, per What's App Termine vereinbaren oder eine eMail beantworten. Alles nur Bruchteile einer Sekunde entfernt.

Mehr Geschwindigkeit, weniger Aufmerksamkeit

Dieser Geschwindigkeitsrausch und der Informationsüberfluss hat die Gesellschaft verändert. Hat man früher noch geduldig gewartet, ist man heute eher getrieben. Warten ist zum Luxus geworden. Und warten hat noch einen Nachteil: Es ist in der Regel langweilig. Die Aufmerksamkeitsspanne während langweiliger Tätigkeiten ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesunken. Als Betreiber einer Webseite oder eines Online-Shops ist dies in den letzten Jahren zu einer großen Herausforderung geworden. Müssen potentielle Kunden zu lange auf einen weißen Bildschirm starren, ist man meist schnell aus dem Rennen.

Was ist denn eigentlich "schnell"?

2011 hat Geoff Kenyon sich ein paar Gedanken darüber gemacht, was Geschwindigkeit im Internet eigentlich bedeutet. Dabei hat er eine interessante Verteilung herausgearbeitet, mit deren Hilfe man seine eigene Geschwindigkeit gut einordnen kann.

Geschwindigkeitsverteilung im Internet

Wenn meine Seite also in weniger als 1,7 Sekunden lädt, dann ist meine Seite schneller als 3/4 aller anderer Seiten im Internet. Sicher schonmal ein guter Ansatz. Allerdings konkurriert man hier auch mit reinen Text-Seiten mit wenig Bildern, wie man sie oft an Universitäten findet. Weit weg von E-Commerce und Benutzerfreundlichkeit. Soviel sei gesagt: Ins obere Viertel zu kommen wird ein hartes Stück Arbeit. Google selber gibt an, dass eine Webseite unter 3 Sekunden geladen sein sollte. E-Commerce Seiten besser in weniger als 2 Sekunden. Man selber hat als Zielvorgabe 0,5 Sekunden ausgegeben. Damit wäre man dann schneller als ca. 98% aller anderer Seiten im Internet. Das wird für eine ausgewachsene E-Commerce Seite, die seinen Kunden ein gewisses Maß an Komfort bieten möchte vermutlich ein utopisches Ziel darstellen. Warum? Weil die heutigen Webseiten einfach zu mächtig geworden sind. Und genau da können wir ansetzen um eine Verbesserung zu erzielen.

Was ist denn eigentlich "groß" (im E-Commerce)?

Wenn man sich nochmal die letzten 20 Jahre betrachtet, könnte man denken, man lebt im Internet-Paradies. Wahnsinnige Geschwindigkeiten machen das Netz zu einer zweiten, virtuellen Heimat. Aber die Ansprüche an die Qualität sind in den 20 Jahren auch gestiegen. Der Nutzer will gestochen scharfe Bilder der Produkte. Aktionen müssen mit Effekten untermalt werden, damit man das Gefühl für eine direkte Rückmeldung bekommt. Um dem Nutzer das bieten zu können ist die Menge an Daten, die in Sekundenbruchteilen übermittelt werden müssen auch in die Höhe geschossen.

Entwicklung der durchschnittlichen Datenmenge pro Seite
Entwicklung der Internetgeschwindigkeit
Entwicklung Seitengrößen und Internetgeschwindigkeit

Dabei fällt auf, dass der Anstieg der Datenmenge direkt mit der durchschnittlich zur Verfügung stehenden Geschwindigkeit einher geht. In den letzten 5 Jahren kann man also beobachten, dass es keinen wirklichen Geschwindigkeitszuwachs mehr gibt, sondern eher die Usability in den Vordergrund gerückt ist. Die Einführung von LTE im Mobilfunkt und der Umstieg auf "Responsive Web Design" an Stelle eigenständiger, mobiler Webseiten hat auch hier die Datenmenge näher an die Desktop-Varianten steigen lassen. Doch gerade hier ist es wichtig auf die Größe zu achten, denn entgegen eines DSL-Anschlusses habe ich bei mobilen Endgeräten eben keine garantierte Geschwindigkeit und teilweise sehr große Unterschiede nur dadurch, dass ich mich fortbewege (Edge, 3G, LTE).

Was bedeutet das denn eigentlich für den E-Commerce?

Wenn auch nachvollziehbar, so richtig greifbar und konkret ist das ja nun alles nicht. Um ein Gefühl dafür zu bekommen, welche Auswirkungen die Ladezeit auf das Geschäft hat, ist es hilfreich sich auf große Zahlen zu stützen. Denn je mehr Menschen etwas tun umso besser kann man den Durchschnitt errechnen. Aus diesem Grund seien hier einmal zwei Beispiele genannt, die eine Auswertung über Ladezeiten in Zusammenhang zur Conversion angestrengt haben und interessante Schlüsse daraus ziehen konnten:

Eine Sekunde kostet Amazon 12,7 Milliarden Dollar

Amazon hat herausgefunden, dass eine längere Ladezeit von nur 1 Sekunde die Conversion Rate um 7 Prozent einbrechen lässt. Bei einem täglichen Umsatz von 100.000$ sind das Rund 2,5 Millionen $ im Jahr. 2017 hat Amazon einen Nettoumsatz von Rund einer halben Milliarde pro Tag (1) eingefahren. Nach oben benannter Rechnung summieren sich hier die Einbußen bei nur einer Sekunde auf stattliche 12,7 Milliarden im Jahr. (2)

Zehn Millionen Feuerfüchse mehr pro Jahr

Die Webseite auf der man den Browser Firefox herunterladen kann, wurde einst optimiert und wurde im Schnitt 2,2 Sekunden schneller ausgeliefert als zuvor. Die downloads auf der optimierten Seite stiegen um 15,4% und damit rund 10.000.000 zusätzliche Downloads im Jahr. (3)

Es gibt noch etliche andere Beispiele von Google, Walmart und anderen großen Online-Playern. Die Quintessenz bleibt die gleiche: Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen der Geschwindigkeit einer Seite und deren Conversion Rate. Dass dieser Einfluss durchaus Gewicht hat, kann man nun schwer von der Hand weisen. Daher sollte man sich mit dem Thema beschäftigen.

Ein Lösungsansatz für den E-Commerce

Die Erwartungshaltung unserer Kunden und Website-Besucher ist sehr hoch. Einfach zu benutzende Online-Shops, aber bitte "instant" ohne Wartezeit unabhängig von der Qualität der Netzverbindung (z.B. U-Bahn). Man könnte auch sagen man braucht die eierlegende Woll-Milch-Sau. Wir wissen alle, dass es die nicht gibt, aber es gibt einige Maßnahmen, die man treffen kann um sich der Sache zu nähern. Einige Punkte sind sehr einfach umzusetzen, andere dagegen stellen sich sehr kompliziert dar. Die Geschwindigkeits-Ausbeute ist dabei oft von der individuellen Webseite abhängig und schwankt auch für die Maßnahmen teilweise beträchtlich.

Google Pagespeed Insights als Startpunkt

Ein guter erster Einstiegspunkt ist Google Pagespeed Insights. Hier kann man die URL einer Seite eingeben und bekommt eine detaillierte Auswertung über verschiedene Bereiche und konkrete Hinweise, was man noch verbessern könnte. Für eine State-of-the-Art E-Commerce Webseite wird es äußerst schwierig sein, hier alle Punkte zu 100% zu erfüllen. Aber das ist auch nicht notwendig, denn selbst Google kritisiert sich an dieser Stelle oft selbst, wenn man zum Beispiel Google Analytics eingebunden hat. Sehen wir es als ersten Ansatzpunkt und Ideen-Findungs-Tool. Es ist auch zu beachten, dass nur genau die URL geprüft wird, die man eingibt. Nicht also alle Einzelseiten des Webauftritts. Theoretisch müsste man daher eine Prüfung und Optimierung für jede einzelne Seite machen. Bei einem Shop mit hunderten oder tausenden Artikeln wohl kaum möglich.

Ebenfalls eignen sich generelle Tools, die den SEO Status einer Seite prüfen. Hier wird häufig ein Großteil der Seite regelmäßig gecrawlt und analysiert. Im Ergebnis findet man dann häufig sehr schnell einzelne Seiten, die noch Optimierung benötigen. Je nach Anforderung und Budget könnten hier zum Beispiel folgende Tools in Frage kommen:

Wenn man den Berg nun auf einzelne Aufgaben herunter bricht, wird man feststellen, dass es technische Belange gibt, die man dem Programmierer oder der Agentur übergeben muss. Es gibt aber auch genauso Punkte, die man in den Arbeitsablauf einbetten kann, wie z.B. die Optimierung von Bildern bevor man sie in den Onlineshop hochlädt.

Die Aufgaben variieren sehr stark, daher ist es unmöglich eine vollständige und allgemein gültige Liste zu erstellen. Aber es sollen ein paar gängige Punkte genannte werden:

  • Optimierung von Bildern
  • Optimierung und Reduzierung von Javascript und CSS
  • Browsercache für Objekte nutzen
  • Kompression im Webserver aktivieren
  • Javascript "non-blocking" laden

Be fast, be successful

Geschwindigkeit im Internet ist heute Pflicht. Vernachlässigt man diesen Teil, verschenkt man bares Geld. Dabei ist es oftmals schon mit einfachen Mitteln möglich einen deutlich spürbaren Geschwindigkeitszuwachs zu erzielen. Es gibt also keinen Grund zu zögern. Machen Sie den ersten Schritt zu mehr Umsatz.

Lasst uns doch in den Kommentaren wissen, ob es Unklarheiten oder Interesse an weiterführenden und vertiefenden Themen gibt.